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Diplomprüfung im Fach Investitionslehre 1. Klausur 27.08.2003
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Diplomprüfung im Fach Investitionslehre
1. Klausur
27.08.2003
Studiengang: Betriebswirtschaftslehre
Prof. Dr. Rüdiger von Nitzsch
Name: ________________________________________
Matr. Nr.: ___________
Die folgenden Prüfungsteile sind obligatorisch zu bearbeiten. Das jeweils angegebene Minu-
tenkontingent entspricht einem für die Bewertung maßgeblichen Punktekontingent. Es sind nur
Taschenrechner erlaubt, die nicht programmierbar sind und keinen Textspeicher haben.
Aufgabe 1
(10 + 8 = 18 Minuten)
Ein mittelständischer Unternehmer hat eine neue Geschäftsidee, die er an den Markt brin-
gen möchte. Wenn er das Projekt sofort (t=0) durchführt, dann könnte er den Kapitalwert
von 20.000 € aus dem Projekt entnehmen. Wartet er hingegen mit der Einführung, so sinkt
der Kapitalwert jedes Jahr um 1.000€. Nach Durchführung des neuen Projektes möchte er
sich zur Ruhe setzen.
Mit seinem bisherigen Geschäftsmodell, welches er nicht gleichzeitig mit dem neuen Projekt
durchführen kann, erzielt er die folgenden Zahlungsüberschüsse z
t
und könnte durch Been-
digung des Projekts die in der folgenden Tabelle angegebenen Liquidationserlöse L
t
bezie-
hen:
t
0
1
2
3
4
z
t
8.500
6.500
4.500
2.500
500
L
t
2.500
2.000
1.750
1.500
1.250
Wann sollte der Unternehmer das alte Projekt beenden und das neue Projekt durchführen?
a) Erläutern Sie verbal das Kalkül, nachdem der Unternehmer entscheiden sollte. Ge-
hen Sie dabei auf die für die Entscheidung relevante Differenzinvestition ein!
b) Berechnen Sie den Zeitpunkt des Abbruchs des alten Projekts und gehen Sie dabei
von einem einheitlichen Kalkulationszins von 10% aus.

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Aufgabe 2
(10 Minuten)
Ein mittelloser Bekannter von Ihnen befindet sich in der Entscheidungsphase, ob er ein
Investitionsprojekt durchführen sollte oder nicht. Bei der Planung unter Sicherheit legt er
Ihnen folgende Kapitalwertberechnung vor. Nehmen Sie zu seinem Ergebnis Stellung. Klä-
ren Sie ihn dabei über den Kapitalwert auf und korrigieren Sie –wenn nötig– seine Berech-
nung. Für den Bekannten ist ein Anlagezins von 5% und ein Kreditzins von 15% relevant.
t
0
1
2
3
z
t
-100.000
50.000
-10.000
200.000
Kredit
43.478,26
-50.000
Anlage
-9.070,29
10.000
Kredit
131.503,25
-200.000
65.911,22
0
0
0
Aufgabe 3
(15 Minuten)
Weshalb kann es bei einem direkten Kapitalwertvergleich von Projekten, die in Staaten mit
unterschiedlicher Steuergesetzgebung angesiedelt sind, zu Fehlern bei der Bewertung der
Vorteilhaftigkeit kommen? Worauf muss bei der Beurteilung geachtet werden?
Aufgabe 4
(8 Minuten)
Was versteht man unter der Amortisationsdauer? Erläutern Sie anhand eines selbst gewähl-
ten Beispiels die Problematik, die bei der Verwendung dieser Entscheidungsgröße auftreten
kann.
Aufgabe 5
(9 Minuten)
Wie man der öffentlichen Berichterstattung entnehmen kann, wächst die Angst vor einer
Deflation in Deutschland. Stellen Sie die Effekte dar, die eine Deflation unter Berücksichti-
gung von Steuern auf die Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten hätte.
Viel Erfolg!

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LÖSUNG
Hinweis: Die Musterlösung gibt einen möglichen Lösungsweg der Klausur an. Es
handelt sich dabei nicht um eine ausschließliche Lösung der Aufgabenstellung.
1a)
Es handelt sich bei dem geschilderten Entscheidungsproblem um den Fall der Bestimmung
der optimalen Laufzeit für ein laufendes Projekt mit Folgeprojekt, wobei der Kapitalwert des
Folgeprojekts variiert, aber gegeben ist. In der Veranstaltung wurde für solche Entschei-
dungsprobleme das Konzept der Differenzinvestition vorgestellt: Die Differenzinvestition für
den Übergang von t-1 auf t Jahre hat den Endwert:
(
)
(
)
(
) ( )
1
t
t
1
t
1
t
t
1
t
t
1
t
t
t
C
i
C
C
L
i
L
L
z
I
I
C
=
.
Da der Kapitalwert des Folgeprojekt im Zeitablauf abnimmt ergibt sich als Entscheidungsre-
gel, dass das erste Projekt so lange durchgeführt werden sollte, so lange die Grenzeinnah-
me g
t
größer ist als die Summe von Zinsverlust auf den Kapitalwert des Folgeprojekts der
Vorperiode und der Veränderung dieses Kapitalwertes ist. Ist dies nicht der Fall, so sollte
das Projekt abgebrochen werden, es sei denn dieser „Verlust“ wird in den Folgeperioden
überkompensiert.
1b)
z
t
L
t
g
t
Summe(Veränderung C
0
, Zinsverlust)
C
0
Folgeprojekt
0 8500 2500
20000
1 6500 2000 5750
3000
19000
2 4500 1750 4050
2900
18000
3 2500 1500 2075
2800
17000
4
500 1250
100
2700
16000
Das bisherige Geschäftsmodell sollte somit noch 2 Jahre weiterverfolgt und dann durch die
neue Geschäftsidee ersetzt werden.
2)
Das Ergebnis ist nicht der Kapitalwert der Zahlungsreihe, da dieser als maximaler Entnah-
mebetrag in t=0 definiert ist, ohne in späteren Zeitpunkten nach Zahlungen leisten zu müs-
sen.
Schaut man sich die Berechnung genau an, so erkennt man, dass es sich nicht um den
Kapitalwert handeln kann, da die Ergänzungsprojekte suboptimal eingesetzt wurden: so wird
zwischen t=0 sowohl eine Anlage getätigt, als auch Kredite aufgenommen. Hierdurch ent-
stehen Zinsverluste, so dass das Ergebnis nicht der maximal in t=0 entnehmbare Betrag ist:
es gibt noch einen höheren, wie es die korrekte Berechnung zeigt:
g
t

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4
t
0
1
2
3
z
t
-100.000
50.000
-10.000
200.000
Kredit
173.913,04
-200.000
Kredit
142.533,08
-163.913,04
Kredit
167.420,07
-192.533,08
67.420,07
0
0
0
3)
Die Problematik beim direkten Kapitalwertvergleich zweier Projekte, die in Ländern mit un-
terschiedlichen steuerlichen Rahmenbedingungen durchgeführt werden, ergibt sich darin,
dass der Kapitalwert immer die relative Sichtweise zum Basisfall angibt.
Dieser Basisfall ist aber aufgrund der steuerlichen Unterschiede nicht gleich, wodurch auch
ein direkter Vergleich der Kapitalwerte unsinnig ist. Tut man dies, so kann es zum sog.
Steuerparadoxon kommen. Dies besagt, dass ein Projekt in einem Land mit höheren Er-
tragssteuern lohnender ist, als in einem Land mit niedrigeren Ertragssteuern. Bedingt wird
dieser Effekt im Wesentlichen, durch die steuerbedingte Minderung des Kalkulationszinsfu-
ßes. Paradox erscheint dies, da dann Steuern einen positiven Einfluss auf die Durchführung
eines Investitionsprojektes hätten.
Daher muss bei einem solchen Vergleich immer berücksichtigt werden, dass sich auch der
Basisfall durch höhere Steuern verschlechtert. Um zu einer richtigen Einschätzung zu ge-
langen müsste folglich die absolute Vermögensentwicklung des Investors betrachtet werden,
damit man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.
4)
Die Amortisationsdauer ist die Zeitspanne zwischen der ersten Projektauszahlung und dem
Zeitpunkt, in dem die anfänglichen Auszahlungen inkl. Finanzierungskosten durch Einzah-
lungen aus dem Projekt wieder vollständig zurückgeflossen sind, ohne dass der Investor
später noch mal Zuschüsse leisten muss.
Eine kürzere Amortisationsdauer lässt aber nicht zwangsläufig den Rückschluss auf die
relative Vorteilhaftigkeit eines Projekts zu, wie das folgende Beispiel verdeutlicht (dabei wird
von einem Kalkulationszins i=10% ausgegangen):
t
0
1
2
3
4
Endwert
Investition a
-3.000
3.301
1
1
1
4,6
Investition b
-3.000
1.000
1.000
1.000
10.000
9248,7
Man sollte demnach (vor allem unter der Prämisse der Sicherheit) auf dieses Entschei-
dungskalkül verzichten, und stattdessen den C
0
, C
T
oder die Annuität c berechnen.

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5)
Eine Deflation ist im Verständnis der Veranstaltung „Investitionslehre“ nichts anderes als
eine negative Inflation. Die Effekte der Inflation wurden ausführlich beschrieben, so dass
hier lediglich diese Effekte entsprechend angepasst werden müssen:
Der erste Effekt unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Steuern ist der, dass die Ab-
schreibungen mit der Zeit an Wert zunehmen. Bei Investitionen mit hohen aktivierungspflich-
tigen Ausgaben wirkt die Deflation also positiv, vor allem, je langsamer die Aktive abge-
schrieben werden.
Der zweite Effekt ergibt sich über den Zins. Verbindlichkeiten nehmen durch Deflation im
Zeitablauf real an Wert zu. Dies führt dazu, dass der Nettorealzins steigt und zu einer
schlechteren Bewertung des Projektes führen wird.
Wie die beiden Effekte genau wirken, kann allerdings nur am Einzelfall geklärt werden.